Ukraine und Krim im Sommer 2005

Sommer, Sonne und ЧМЭ3

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Eigentlich war alles wie immer: Treffpunkt Bahnhof Berlin-Lichtenberg und in einer der umliegenden Kneipen noch einmal den Magen gefüllt,
Tradition verpflichtet eben! Unser Schnellzug „ Kashtan “ verlässt nach den üblichen Verlade- und Abschiedsszenen überraschenderweise
planmässig die Bundeshauptstadt. Der Proviantengpass vom Vorjahr, verursacht durch Fehlen des Speisewagens, war noch gut in
Erinnerung. Folglich hatten wir diesmal vorgesorgt, denn laut Fahrplan gibt es erst in der Ukraine einen geeigneten Halt zur Nahrungssuche.
Auch ein anderes Problem konnte im Vorfeld geklärt werden:
Die Anschlussfahrkarten ab Kiew wurden von einer Bekannten besorgt. So fuhren wir sorglos unserem Urlaub entgegen.
Die Grenzen wurden ohne Aufregung passiert und nach dem Spurwechsel in Jagodin rumpelte der Zug auf Breitspur nach Kowel.

2M62u-0302 in Korosten

Im dortigen Bahnhof waren die Elektrifizierungsarbeiten im vollen Gange, wir jedoch dieselten weiter Richtung
Korosten. Der nun folgende Austausch der Traktion wurde natürlich von den Cargozwillingen fotografisch für die
Nachwelt festgehalten. Die weiterführende Magistrale nach Kiew indes bietet wenig Reize, so dass die Herren
sich für ein „ Obolon “ entschieden. Bei dessen Genuss entdeckten wir ein lustiges Detail im Gang, eine
Übersetzungshilfe Deutsch – Ukrainisch, worauf die ukrainische Flagge auf dem Kopf stand. Eine Kontrolle der
anderen Wagen ergab, daß der Druckfehler serienmäßig auftrat. Gegen 23 Uhr kamen wir püntklich in Kiew an.
Die 2 Stunden Umsteigezeit klingen in deutschen Ohren üppig (Leider konnte Ihr Zug nicht warten…), aber bei
geschätzten 20 Zentner Gepäck pro Passagier ist das ein knapper Übergang! Diese wurden innerhalb

kürzester Zeiten aus- und eingeladen, wobei wir keine Ausnahme bildeten. Alles ging gut und Verchnedneprovsk wurde endlich am nächsten
Morgen erreicht. An Erholung war aber noch lange nicht zu denken, denn alle Verwandten und Bekannten wollten auf einmal besucht sein.
Auch Fahrkarten für die geplante Fahrt auf die Krim, genauer gesagt nach Feodosia, mußten relativ fix organisiert werden. Den Kurort
lernten wir schon im Jahr 2000 bei einem Tagesausflug kennen. Uns faszinierte damals besonders die Verkehrsführung der Eisenbahnlinie an
der Strandpromenade. Die Tickets waren schnell besorgt und bei der Gelegenheit wurde mit Sergej der 2. internationale Lokführerstammtisch
von Bagley für den nächsten Tag einberufen, zu welchem dann auch standesgemäß mit der Elektrichka angereist wurde.

TEM7A-0285 in Bagley

Wir nahmen extra einen Zug eher, damit auch noch genug Zeit zum Fotografieren
blieb. Der Wunsch bestand unsererseits schon lange, denn in dem Bahnhof
tauchten ab und zu die Werklokomtiven der umliegenden Betriebe auf. So fuhr
auch das achtachsige Rangierlokmonster der Baureihe TGM7A mit seiner
Wagenschlange ein. Viele Waggons wurden von privaten Wachleuten
beaufsichtigt. Ohne Sergej wäre die Aktion wohl im Bau geendet, doch unser
Begleiter konnte alle Zweifel an unserer Ungefährlichkeit ausräumen.
Auch bewies er Geduld für unser, ihm unbegreifliches, Hobby.

Wir auf einer ChME3
Beim Lokführerstammtisch

Diverse ChME3, VL8 und ChS2 wurden weggeknipst, bevor wir am frühen Abend an der kleinen Depot-
Außenstelle auf die anderen Lokführer trafen. Schnell wechselten aus Deutschland mitgebrachte Fotos und Eisenbahnzeitschriften die Besitzer. Anschließend erfolgte der Umzug in ein gemütliches Restaurant in der
Dneprodzerzhinsker Innenstadt. Es wurde viel gelacht und diskutiert. Trotzdem konnte nicht endgültig geklärt
werden, wo das Eisenbahnerleben erträglicher ist. Eine Kostprobe der ukrainischen Lokführerkameradschaft
konnten die Deutschen jedenfalls sofort erfahren. Kurzerhand wurde telefonisch ein Kollege angewiesen, mit
seinem privaten PKW die Ausländer „Heim“ zubringen. Wenig später stand ein streng nach Diesellok
riechender Tavria-Fahrer vor dem Lokal und brachte uns sicher durch die Nacht in das ca.30km entfernte
Verchnedneprovsk. Ein diesmal ungeplantes Highlight folgte am nächsten Tag, welches sich in Form einer völlig unerfahrenen und überlasteten Fahrkartenverkäuferin am internationalen Schalter des Dnepropetrovsker Bahnhofs darstellte. Während sie es noch schaffte für Maik die Reservierung von Kiew nach Berlin auszustellen, war sie mit Ricos Freifahrt für Polen total überfordert. Als er aber nach mehreren Warteperioden entnervt und nun auch lautstark darauf bestand, brach sie in Tränen aus. Die begehrten Billets gab es für ihn trotzdem nicht! Nach diesem Rückschlag wurden tiefgreifende Kontakte benötigt. Ein Bekannter von Olga glaubte diese zu besitzen, und siehe da: Die Fahrkarten lagen zeitnah abholbereit am Schalter.

Ein Mk2-15 in Dnepropetrovsk Zu den erwünschten Konditionen versteht sich! Nach dem Stress war es nun aber an der Zeit richtig Urlaub zu machen. Am Strand wollte man sich von der Sonne verwöhnen lassen und Erfrischung im Schwarzen Meer oder durch ein kühles "Slavutich" genießen. Doch zuerst stand die nervige Quartiersuche vor dem Urlaubsspaß und das früh um halb 4! Bereits in Vladislavovka stiegen erste Agenten in den Zug und texteten die verschlafenen Fahrgäste mit ihren meist übertriebenen Versprechen zu. Vorbei am noch pulsierenden Nachtleben fuhren wir in Feodosia ein. Relativ schnell wurden wir dann im Stadtteil Aivasovskaya Kirche in Feodosia
fündig. Zum angenehmen Preis gabs den gleichnamigen Bahnhof und Sandstrand quasi vor der Haustür. Sommer, Sonne und ЧМЭ3! Beeindruckend neben der Trassierung im Stadtzentrum ist auch der Betrieb auf der eingleisigen Stichbahn. Morgens kommen im Halb-stundentakt die Urlauberzüge an. Wegen der Enge im Endbahnhof müssen diese dann schnell nach Aivasovskaya zurück. Dort verbleiben auch die 2TE116er in einem kleinen Depot. Am Abend kehrte sich das Ganze um. Dazwischen dreht eine ЧМЭ3 mit einem Personenzug aus Platzkartniy-Wagen ihre Runden, dazu noch ein paar Güterzüge für den Hafen. Und nur Dieselloks - eine gute Fotoausbeute war sicher!
CME3-4753 mit Personenzug Der tolle Pz genoss natürlich die besondere Aufmerksamkeit der Cargozwillinge. Leider hing während unseres Aufenthaltes immer dieselbe Maschine davor. Das hielt uns aber nicht von einer Mitfahrt nach Vladislavovka ab. Dort zweigt die Stichbahn von der Strecke Dshankoj - Kertsch ab. Das versprach interessanten Zugverkehr. Mehr als die umsetzende Tschme und einen Schnellzug mit einer halben 2TE116 abzulichten war uns aber nicht vergönnt. Gerade als wir auf der Suche nach einem schönem Motiv an der Strecke waren, kam ein Moskvich den Feldweg herangeprescht und der Fahrer fragte nach unseren Absichten. Wie Misstrauen schnell beseitigt wird, war bekannt. Der verantwortliche Bahnmeister Streckenkarte
für diesen Streckenabschnitt stellte sich vor und lud uns sogleich in sein Häuschen ein. Was jetzt folgte war klar. Sollten wir die Gastfreundschaft ablehnen? Schnell waren Getränke besorgt und die Tochter des Hauses tischte zum Frühstück auf. Danach präsentierte man stolz die Familienvideos. Draußen donnerten derweil, laut hörbar und im schönsten Sonnenschein, 2TE116 & Co vorbei - unsere Gesichter wurden immer länger. Endlich erhob sich der Hausherr und verbreitete Aufbruchstimmung! Zuvor jedoch sollten wir noch die ältere Tochter kennen lernen, von deren Existenz bis dahin noch nichts bekannt war. Nur energischer Protest konnte die Zwangsöffnung des Schlafraums verhindern. Nun folgte eine kurze Fahrt mit der Familiendroschke zum örtlichen Stellwerk, wo die vermeintlichen Spione nach Lust und Laune den Stelltisch knipsen konnten. Unsere Hoffnungen auf weitere 2TE116 - Treffen in Aivasovskaya
Triebfahrzeugmotive verwehten jedoch abrupt in einer Kellerbar gegenüber vom Bahnhof. Dort schob nämlich die Ehefrau unseres Gastgebers Dienst, also weiter Essen und Trinken. Diverse geistige Getränke entfalteten mittlerweile in der vorherrschenden Mittagshitze ihre volle Wirkung. Auch der Bahnmeister hatte es auf einmal eilig uns loszuwerden. Schnell wurde ein Ersatzfahrer organisiert, welcher die angeschlagenen Touristen nach Feodosia bringen sollte. Die Reifenpanne unterwegs, welche übrigens im Formel1 - Tempo behoben wurde, schockierte nicht mehr. Bevor sich die Wege trennten wurde schnell noch ein Abschiedsbier vernichtet.
Die folgenden Tage grillten die Zwillinge am Strand in der Sonne, unterbrochen von ein paar Exkursionen an die "Hausstrecke". Auch den Wünschen unserer Damen wurde Folge geleistet. Basarbesuch mit anschließendem
Reifenpanne
Partisanenzwillinge
Stadtbummel sollte zum angenehmen Partnerschaftsklima beitragen, Begeisterung pur! Doch unerwartet entdeckten auch wir interessante Dinge, ganz zu schweigen von den Eisenbahnfotos die "zufällig" entstanden. An der Strandpromenade wurden tolle Attraktionen angeboten, welche bei den Touristen großen Anklang fanden. Verkleidet als barocke Schönheit oder westlicher Motorradpilot konnte man Träume zur Realität auf Fotopapier werden lassen. Milde belächelnd begegneten wir dem Ganzen, ein paar Minuten später galt das Gelächter uns. Die zwei Deutschen lagen als schwerbewaffnete Partisanen Andreaskreuz in einer Bar
Zeig mit dem Finger wohin wir fahren - Motorhaube eines Taxis. auf einem Pferdefuhrwerk, kurz darauf sah man sie in einem Moskvich-Oldtimer. Das Prädikat "Besonders Wertvoll" bekam jedoch ein Straßenrestaurant, welches irgendwie um ein Andreaskreuz herum errichtet worden war. Die daran befindliche Warnsirene jaulte unentwegt, schließlich lag der dazugehörige Überweg direkt in der Ein- und Ausfahrt des Bahnhofs Feodosia. Wir zweifelten am Erfolg dieser Geschäftsidee, denn Kundschaft war keine auszumachen. Ebenfalls sehenswert waren die Sonnenanbeter, welche sich unmittelbar neben dem Abfluss der städtischen Kloake niedergelassen hatten. Hier gilt unsere goldene Regel für die zentral-beherbergten Strandtouristen: Was man an Weg spart, muss man an Fäkalien in Kauf nehmen! Die Rückfahrt ins Feriendomizil erfolgte im überfüllten Linienbus, was für ein herrlicher Urlaubstag ...
Auch für den Transfer zum Tagesausflug nach Kerch musste die Gummibahn herhalten. Die Reisezeiten mit der
2TE116-1603-A in Kerch

Eisenbahn dorthin waren leider unakzeptabel. Der örtliche Fahrplan versprach einige Schnell- und Regionalzüge, Güterzüge waren auch zu erwarten. Immerhin besteht eine Fährverbindung nach Rußland. So war es dann auch. Halbe und ganze 2TE116er, sowie fleißige ChME3 - Rangierloks sorgten für Bewegung der Züge und des Filmmaterials. Die letzte Aktion zum Ende eines schönen Krim-aufenthaltes. Im schon heimatlichen Verchnedneprovsk folgte ein letzter Besuch am Bahnhof, ein Ausflug mit einem alterschwachen Saporoshez, die Kiste schaffte es nicht mehr mit eigener Kraft zurück, und schon war für Maik der Tag

ChME3-4709 in Verchnedneprovsk
Springbrunnen in Verchnedneprovsk
der Abreise gekommen. Rico durfte noch eine Woche länger bleiben. Dadurch konnte er einem besonderen Ereignis beiwohnen: Unter Lenins wachsamen Augen war ein Springbrunnen angelegt worden. Doch während der langen Winternächte verschwanden die Messingdüsen, die neue Attraktion des Städtchens war ruiniert. Als Maik am Abschiedstag noch den Reparaturtrupp sah war er sich sicher: Morgen läuft das Ding! Und richtig, gerade als er in Kowel den Rangierarbeiten für den Kurswagen beiwohnte klingelte das Handy und ein frohlockender Rico verkündete die in Gang gsetzten Wasserspiele.
Trecker+Bagger+Planierraupe=Trebapla?

Aber er würde extra Foto - und Videoaufnahmen machen. Na toll, der Tag war gerettet ...
Während der eine Zwilling schon wieder seine Runden in Deutschland drehte, genoß der Andere noch seine letzten Urlaubstage.
Dann brachen auch er und seine Familie auf, mit der Gewißheit im Gepäck - nächstes Jahr sind wir alle wieder da.

 

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