UKRAINEREISE 1997

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Es fing ja alles so harmlos an. Rico rief an, ob ich nicht Lust hätte mit einem Sonderzug in die Ukraine zu fahren.
Der Fahrtermin wäre im März ´97. Ich wäre doch auch so ein Verrückter... Das war im Herbst 1996.
Nun ja, interessant wäre das schon. Erst mal die Finanzen prüfen, schließlich war man gerade Zivi. Aber es ging.
Die Zwillinge, die damals noch gar keine waren, trafen sich in Dresden.
Dort stimmten sie sich schon mal auf die Fahrt ein, ohne zu wissen, was sie eigentlich erwarten sollte. Die meisten Bekannten und Verwandten erklärten uns jedenfalls für verrückt.
Am Morgen des 13.03.97 traf sich nun ein Teil der Gruppe in Dresden am Hauptbahnhof, um dann gemeinsam nach Prag zu fahren. Dort sammelte sich dann die komplette Reisegruppe.
Wir fuhren dann am Abend mit dem D 221 "Dukla" von Prag nach Tschop, das wir am nächsten Morgen erreichen sollten. Der tschechische Schlafwagen war in einem guten Zustand. Auf der Rückfahrt sollte es uns härter treffen.
Durch die lange Fahrt hatte man nun schon die Möglichkeit die anderen kennen zu lernen. Hm, da gab es welche,
denen war Maik´s Vater bekannt. Oh Gott, was sollte das werden. Muss man sich deswegen gut benehmen?
Die Antwort sofort: NEIN!

Wir im Zug

Nach der langwierigen Grenzkontrolle erreichten wir nun endlich den Bahnhof Tschop. Dort erwartete uns bereits der Sonderzug und wir bezogen unsere Abteile. Sofort stand erste Depotbesuch auf dem Programm. Also wieder raus aus dem Zug. Und was stand da, nein nicht die von vielen ersehnte Wumme, ein uralter Elektrotriebzug vom Typ SR3. Wir als ET-Fahrer waren natürlich sofort begeistert von dieser Elektritschka.
Wow, was für ein Gerät. Man konnte noch grüne Farbe erkennen, die Fenster waren teilweise zugeschweißt, Sitzbänke aus Sperrholzplatten und die Bremswiderstände hingen frei unter dem Wagenboden. Wir vergaßen sogar das Fotografieren, so faszinierte uns das Ding.

Für unsere M62 - Freunde tat sich aber auch was. Es kam ein Zug mit der schalldämpferlosen M62 - 1047 eingefahren. Nachdem sich die Aufregung wieder gelegt hatte besuchten wir das Depot. Dort konnten wir verschiedene Bauarten dieses Loktypes antreffen. Auch eine andere aus Deutschland bekannte Baureihe trafen wir dort an, die ChME2. Diese Baureihe ist als V75 (BR 107) aus der Tschechoslowakei in die DDR geliefert wurden. Warum allerdings dieses Exemplar einen Puffer besaß konnten wir nicht klären. Neben den bereits erwähnten Typen waren dort auch tschechische Rangierloks der Baureihe ChME3 und Elloks vom Typ WL11 vorhanden. Was man dort von solchen Problemen wie Umweltschutz hielt wurde uns schnell klar als Rico plötzlich bis zu den Knöcheln im Öl stand. Na ja, andere Länder andere Sitten.

Depo Chop - zum Vergrößern anklicken

Aber trotzdem lecker Essen. Das konnten wir feststellen als wir nach dem Depotbesuch wieder in den Zug zurückkehrten und das erste Mahl im Speisewagen einnahmen. Da gab es dann auch die offizielle Begrüßung, die natürlich nicht ohne ein Gläschen Wodka abging.
Während wir speisten setzte sich der Zug in Bewegung. Unser heutiges Ziel war Sambor, wo wir noch einen Depotbesuch geplant hatten. Die Strecke war atemberaubend und unsere Zuglok, die 2M62-1241, hatte ordentlich zu schleppen. Unser Zug bestand aus 9 Wagen und die Steigungen hatten es in sich. Teilweise sahen wir in den Tunnel die Funken an den Fenstern vorbeifliegen. Zwischendurch gab es Fotohalte. Einige ergaben sich durch Zugkreuzungen, wobei wir es nun auch schafften den uralten ET abzulichten. Leider war das Wetter nicht das beste. Durch reichliche Verspätung kamen wir erst bei Dunkelheit in Sambor an, der Depotbesuch war somit erledigt.
Nach dem Abendbrot machten wir es uns im Barwagen bei gutem ukrainischem Bier bequem, während der Zug weiterfuhr.

Am nächsten Tag standen wir in Korosten. Das Wetter hatte sich noch nicht gebessert, ein gleichmäßiger Grauschleier überzog die Landschaft. So trotteten wir dann zum ersten Depotbesuch des Tages. Wieder trafen wir hier auf verschiedene Varianten der M62, ChME3 und ein paar Dieseltriebwagen vom Typ DR1P.
Die Anlagen des Depot machten insgesamt einen verschlissenen Eindruck. Der Schrottplatz sah aus wie nach einem Bombeneinschlag, Reste von Dampf- und Dieselloks lagen unmotiviert in der Gegend rum. So ein Plätzchen hat natürlich auch eine interessante Seite für die Schildersammler. Hier war es aber noch harmlos. Als wir zum Zug zurückkamen standen unsere Zugloks schon abfahrbereit davor. Bis Schitomir zogen uns die TE 5653 und 5265, zwei ehemalige 52er. Die zweite Lok besaß einen Steifrahmentender.

Der Schrottplatz - zum Vergrößern anklicken

TE 5653 und 5265 - zum Vergrößern anklicken

Tja, da mühten sich die zwei Dampfer nun vor dem Zug ab, aber es begeisterte niemanden so richtig. Grund war einfach nur das Grau dieses Tages. Einige Fotohalte und Scheinanfahrten fanden statt, aber man stieg eher aus um wenigstens ein paar Bilder zu machen. Interessanter war da schon bei Zugkreuzungen die Leute am Bahnsteig zu beobachten. Was die wohl dachten? Hm, Eisenbahnfans sind dort nicht so an der Tagesordnung. In Toporitsche tauschten die Loks die Plätze und wir wurden von einem Schnellzug mit 3 Loks der Reihe M62 überholt. Gegen Mittag trafen wir dann in Schitomir ein. Die beiden TE wurden nun getauscht gegen die M62-1591. Jetzt wurde auch die Übermotorisierung des anderen Zuges klar. Eine Lok für den Zug, eine für uns und die dritte brachte die Dampfloks wieder zurück.

Nach dem Mittagessen ging es weiter, der Blick immer sorgenvoll zum Himmel gerichtet. Wieder Fotohalte, aber bei dem Licht? Na, da blieben wir lieber im Zug hocken. Aber am späten Nachmittag kam dann doch noch die Sonne und die Aktivitäten steigerten sich. So kamen wir dann in Kasatin an und besuchten dort noch im letzten Tageslicht das Depot. Neben vielen ChME3 bekamen wir hier auch wieder eine ChME2 und Elloks vom Typ WL80 zu sehen. Nach dem Besuch der Werkstatt ging es wieder in den Zug zurück. Dieser setzte sich dann auch bald Richtung Grebenka in Bewegung. Nach dem Abendessen war im Musikwagen ein Konzert der zugeigenen Volkloregruppe anberaumt. Kaum zu glauben, was so alles möglich ist. Nach diesem ging dann das Konzert des Biergläsergeklapper los.

Das hatte Auswirkungen am nächsten Tag. Rico war nicht aus dem Bett zu kriegen. Also starteten wir ohne ihn in das Depot Grebenka. Ein alter Bus brachte uns in die gepflegte Dienststelle. Als Denkmal war hier die FD20-2560 aufgestellt. Auch eine uralte E-Lok, die WL22-572, war vorhanden, aber leider nicht betriebsfähig. Danach ging es weiter mit dem Bus über abenteuerlich anmutende Wege zu einer Lokreserve. Solche Reserven gibt es viele. Man sammelt dort überzählige Lokomotiven, um diese entweder bei Bedarf wieder in Betrieb zu nehmen oder zu verschrotten. Neben vielen alltäglichen Loktypen befand sich nun dort auch eine 2TEP60. Es war bisher die einzigste, die wir gesehen haben und ob man noch irgendwo eine in Betrieb sehen kann ist mehr als fraglich. Das Wetter war wieder mies und der Zeitplan mittlerweile total außer Kontrolle. Eigentlich sollte unser Zug gerade den Bahnhof verlassen, wir waren aber noch in der Pampa.

Brennt sie, oder nicht? - zum Vergrößern anklicken

Der Reiseleiter von Dzscherelo meinte nur: "Everything out of control." Aber natürlich wartete der Zug auf uns. Als wir auf dem Bahnhof ankamen mussten wir auch gleich einsteigen, damit es endlich losgehen konnte. Heute führte unsere Reise nach Schewtschenko um dort das Depot zu besuchen, und damit wir nicht selbst schieben mussten hatte man 2TE10L-3644 vor den Zug gehängt. Und wie sie zog war nicht nur zu merken, sondern auch sehr deutlich zu sehen. Es ist schon interessant, wo bei einer Diesellok überall Rauch rauskommen kann. Da die Sonne immer noch eine Auszeit nahm, hatte man so wenigstens einen Grund zum Fotohalt auszusteigen. An diesem Tag überquerten wir den Dnepr bei Cherkassy, der dort etwa 9 km breit ist. Auf einem langen Damm geht es bis weit über die Mitte des breiten Flusses. Dann schließt sich eine Brücke an. Für diese wurde uns aber leider keine Fotogenehmigung erteilt.

Auf dem Damm haben wir Fotohalte gemacht, mussten dabei aber mit herumfliegendem Sand kämpfen, welcher sich überall absetzte. Kurz darauf erreichten wir Tschewtschenko. Die Fußgängerbrücke über die Gleise war gesperrt, so dass wir wie alle anderen quer über die Gleise latschten. Das machen die dort immer, egal ob eine Unterführung oder Brücke vorhanden ist. Im Depot fanden wir Triebwagen der Baureihe D1, eine Heizlok (ex SO17-1240) einige 2TE10UT und einen Schrottplatz. Dieser hatte es in sich. Eine lange Schlange von 2TE10L warteten noch auf das Ende, während Teile von zerschnittenen TEP10 dort rumlagen. Und teilweise sogar mit Fabrikschildern. Ein Eldorado für unsere Schilderdiebe. Wobei festzustellen war, das diese bessere Werkzeuge besaßen als die Werkstatt des Depot. Nachdem alles brauchbare demontiert wurde trat die Gruppe klappernderweise den Rückweg zum Zug an. Dieser wurde inzwischen mit einer Ellok der Reihe ChS8 bespannt, denn über Nacht sollte es nach Dnepropetrowsk gehen.

Gleich nach dem Frühstück ging es ins Depot. Dort sahen wir viele Loks tschechischer Herkunft: ChME3, ChS2 und ChS7. Des weiteren waren dort Elektrotriebwagen der Reihe ER 1 beheimatet. Der Besuch war schnell zu Ende, denn jetzt sollte der Höhepunkt des Tages folgen. Gleich gegenüber vom Depot liegt das Ausbesserungswerk für Diesellokomotiven. Da war was los. Im Bahnhof standen fertige Loks, kein Vergleich zu dem was in das Werk reinkommt. Komplett zerlegte Motoren und andere Bauteile waren zu besichtigen. In der Lackiererei wurde auch noch mit Hand gespritzt. Die Luft war stark lösungsmittelhaltig, bloß raus hier!
Es war übrigens eine 3TE10M die da gerade bearbeitet wurde. Das fiel im ersten Moment keinem auf, da sie ihres Mittelteils beraubt worden ist, genau wie die auf dem Foto.

3TE10M-1008 - zum Vergrößern anklicken

Nachdem wir das Werk verlassen hatten ging es mit einem Bus zum Depot Usel. Dort waren viele alte Elloks der Baureihe WL8 vorhanden. Außerdem trafen wir auf einige Vertreter der Diesellokbaureihe TE3. Die meisten sahen aber so aus, als hätten sie ihre letzte Fahrt schon hinter sich gebracht. Immerhin waren wir der Geburtstätte dieser Loks schon ein ganzes Stück näher gekommen, morgen sollte es soweit sein und wir hätten unser östlichstes Ziel erreicht: Lugansk. Aber zuerst ging es noch mit dem Bus zurück an den Hauptbahnhof von Dnepropetrowsk, wobei die Rückfahrt gleich als Stadtrundfahrt stattfand. Am Bahnhof hatten wir noch ein paar Minuten Zeit, aber das schlechte Wetter trieb uns in den Zug. Davor hing nun eine ChS7, welche uns ohne Fotohalte nach Tschaplino brachte. Dort besuchten wir schnell eine Reserve, aber das Aussteigen hätten wir uns sparen können. Saukalt und stinklangweilig umschreibt die Sache treffend.

2TE126-0001 im Lokomotivwerk Lugansk - zum Vergrößern anklicken

Ein Lokgehäuse als Labor - zum Vergrößern anklicken

Dafür sollte sich das Aufstehen am nächsten Morgen um so mehr lohnen. Über Nacht hatten wir Lugansk erreicht und waren nun gespannt auf das was wir im Werk sehen würden. Zuvor aber wollten wir noch das Depot Kondraschewskaja besuchen. Also rein in den Bus und los ging es. Jetzt wurde es lustig, der Busfahrer verfuhr sich. So kamen wir zweimal an einem Gebilde vorbei, welches wir "Das Denkmal für den unbekannten ET-Fahrer" getauft hatten. Aber alles wurde gut und wir standen dann tatsächlich in dem Depot. Außer einigen 2TE116 war aber nicht viel zu sehen dort. Eine Heizlok war in Betrieb, und drei Dampfloks standen abgestellt in einer Reihe mit ein paar 116ern. Von eigentlicher Betriebsamkeit war aber nix zu merken.
So ging es dann weiter mit dem Bus zu "Luganskteplovoz". Dort wurden wir bereits erwartet. Es war also soweit, wir durften die Hallen dieses Werkes besichtigen. Durch den Zusammenbruch des Ostblocks ist bei weitem nicht mehr so viel Arbeit vorhanden wie früher. Die Motoren kommen aus Russland und müssen in Dollar bezahlt werden. Man sucht nun auch nach ausländischen Investoren. Wenn man sich das Werk allerdings anschaut weiß man schnell das diese Suche lange dauern wird. Neue Loks werden kaum noch gebaut, meist werden Umbauten oder Generalüberholungen durchgeführt. Auch mit dem Bau von Straßenbahnen will man das Werk retten. Bei unserem Besuch stand gerade eine zur Wendezuglok umgebaute 2M62 in der Halle. Die Lok war auch mit elektrischer Zugheizung ausgerüstet. Man stelle sich das mal vor, ein Personenzug mit je einer M62 an jedem Ende. Damit sollte man immer ankommen, oder?

In einer anderen Werkhalle war man gerade mit der Montage einer 2TE116 und einigen Straßenbahntriebwagen beschäftigt. Im großen und ganzen herrschte aber doch Ruhe. Man führte uns dann noch zu einer anderen, etwas moderneren Werkhalle. Darin verbarg sich so eine Art Prototypenwerkstatt. Ein Dieseltriebwagen sowie eine neue Straßenbahn gab es dort zu sehen. Auch verschiedene Versuchsaufbauten, wie z.B. zur Türsteuerung. Gleich neben dieser Halle stand eine Lok, welche man aus der DDR als Baureihe 130 kennt. Allerdings war das hier nur die Hülle. Man nutzte das Gehäuse als "Labor". Es ging dabei wohl um Lüfter- und Lufttrocknungsanlangen. Im Werk befand sich auch noch die 2TE126-0001, eine sechzehnachsige Diesellok mit insgesamt 12 000 PS. Aber der Abschwung der Wirtschaft verhinderte das diese Baureihe in größeren Stückzahlen produziert wurde. So stand dieses Unikat im Werk und rostete vor sich hin.

Nachdem wir noch das Museum des Werkes besucht hatten fuhren wir wieder mit dem Bus zum Bahnhof zurück. Dort stand bereits die TE3-7195 vor unserem Zug. Bei diesem Anblick ging es mit einigen durch. Die Sonne zeigte sich nun auch mal wieder und so konnte es nach dem Mittagessen gleich mit den Fotohalten losgehen. Unser Ziel war Debalzewo, wo wir wieder ein Depot besichtigen wollten. Unterwegs, in Rodakowo, war ebenfalls ein Depotbesuch vorgesehen, der dann auch bei strahlendem Sonnenschein stattfand. Viel los war dort nicht, es tummelten sich einige D1-Triebwagen auf dem Gelände. Einer war an beiden Enden mit je einem Teil einer 2TE116 versehen, weil seine Maschinenanlagen defekt waren und es keine Ersatzteile gab. Unsere Zuglok war auch nicht im besten Zustand, wie Videobilder am Abend verrieten.

TE3-7195 - zum Vergrößern anklicken

Es wurden Sicherungen während der Fahrt getauscht. Die hielten nicht lange, also griff man zum Überbrückungskabel. Wir machten viele Fotohalte, die Sonne musste man nutzen. Als der Zug wieder einmal hielt waren wir natürlich der Meinung das es wieder für´s Foto wäre. Aber es handelte sich um eine Notbremsung des Lokführers, denn vor unserem Zug hatten gerade welche die Strecke mit einem Motorradgespann überquert. Zu dieser Zeit war es auch etwas unruhig in der Region wegen ausstehenden Lohnzahlungen, so dass man wohl auch von einem versuchten Anschlag ausging. Wir hatten zwei Bewacher mit, aber dort waren noch mal zwei dazu gekommen. Was soll´s, nun waren wir draußen, also auch Fotos gemacht und weiter ging es nach Debalzewo. Als wir dort ankamen war es fast schon dunkel. Dadurch schenkten sich die Zwillinge den Depotbesuch, es war ja nix mehr zu sehen.

Was war das? Unser Zug hielt schon wieder und drückte zurück, nach vorn, halten, weiterfahren. Dann das selbe Spiel von vorn. Ach ja, als wir so langsam zu uns kamen fiel es uns wieder ein. Heute waren Fotohalte vor dem Frühstück vorgesehen, unmenschlich so was. Also zuerst in den Speisewagen um fix ein Käffchen zu schlürfen und etwas in den Magen zu stopfen. Die Kellnerinnen machten böse Miene zum bösen Spiel. Das Essen und die Getränke verließen bei dieser Fahrerei gerne die dafür vorgesehenen Gefäße. Aber es sollte ja nicht mehr lange dauern, bis wir Jasinowataja erreicht haben. Dort konnte man sich diese Rangierlok vom Typ ChME5 mal aus der Nähe betrachten, 8 Achsen, 168 Tonnen - das spricht für sich.
Wir besuchten nun die beiden Depots in dieser Stadt. An Fahrzeugen waren viele 2TE116 und Rangierloks ChME3 zu sehen. Es war kalt und Schnee lag, aber wenigstens schien die Sonne. Zurück auf dem Bahnhof sahen wir auch wieder einen dieser wunderbaren ETs vom Typ SR3. Mit so einem mal durch die Münchener Stammstrecke rumpeln, das wäre es. Gegen Mittag ging es dann weiter nach Donezk, wo wir mit dem Bus zur Werkbahn eines Stahlwerkes fuhren. In der Werkstatt war eine M62UP eine TGM6 und eine TGM4 abgestellt, im Freien standen noch weitere TGM6 und einige andere Loktypen. Aber alles stand nur. Dafür war der Besuch im Ausbildungskabinett der Bahn sehr interessant. Ein aufgeschnittener Dieselmotor und ein Schaltplan mit Darstellung der jeweiligen Schaltzustände sollte den Lehrlingen das Innere einer Diesellok beibringen. Auch Modelle oder gar Originale von einigen Baugruppen fanden sich dort. Einen Zug bekamen wir bei der Werkbahn leider nicht mehr zusehen. Mit dem Bus ging es wieder zurück zum Zug.

ChME5-0003 in Jasinowataja - zum Vergrößern anklicken

SR3-21661 in Jasinowataja - zum Vergrößern anklicken

Über Nacht ging es nach Apostolowo und von da aus weiter nach Nikolajew. Als Zuglok betätigte sich die 2TE10UT-0028. Nach der morgendlichen Stärkung im Speisewagen waren Fotohalte vorgesehen, aber das Wetter zeigte sich wieder mal nicht von der guten Seite. So beließen wir es bei einem oder zwei Halten. In Nikolajew ergoss sich dann der ganze Himmel über uns, aber wenn wir schon mal da sind gehen wir auch ins Depot. Der starke Regen ließ uns die Besichtigung schnell ins Innere des Depots verlagern, wo wir zufällig zu einem Dienstunterricht für Lokführer kamen. Nun hatte unsere Dolmetscherin ganz schön zu tun. Hier prallten Gegensätze aufeinander. Da haben wir es in Deutschland doch etwas einfacher. Nach etwa einer halben Stunde verabschiedeten wir uns und machten doch noch fix ein paar Fotos im Gelände. Und das war auch gut so, denn dort rangierte eine TEP10L, wahrscheinlich die letzte ihrer Art.

2TE10M-2601 - zum Vergrößern anklicken

M62-1028 im Depo Odessa

Unsere Lok wurde auch gewechselt, jetzt zog 2TE10M-2601 den Zug. Das sollte sie bis Odessa tun, wo wir das einzigste Mal während der 14 tägigen Fahrt nicht im Zug schlafen werden. Als wir in Odessa ankamen wollten wir eigentlich noch ins Depot, um ein paar Nachtaufnahmen zu machen. Nachdem aber der Busfahrer sich irgendwie verfuhr, brachen wir das Experiment ab und fuhren zum Hotel. Das Hotel war zwar nicht das beste, aber es hatte eine Dusche mit richtig heißem Wasser und eine Toilette, die nicht wackelte. Vor dem Schlafengehen ließen wir uns wieder einige Bierchen schmecken, bevor wir ins Bett schwankten, welches in dieser Nacht leider nicht schwankte. Irgend etwas fehlte. Nach dem Frühstück, was einem Vergleich mit dem was wir im Zug geboten bekamen nicht standhalten konnte, ging es dann ins Depot. Diesmal fand der Busfahrer gleich den Ort der Begierde. Wir hatten nun schon so viele Depots besucht, da wurde es langsam langweilig. Wir sind nun mal nicht die Statistiker oder Nummernfreaks. Tja, was gab es zu sehen? Eigentlich wie immer: ChME3, 2TE10M, M62 und viele WL80. Eine TEP 60 und eine Heizlok wollen wir nicht unterschlagen. Aber da war noch irgendwas, denn auf einmal gab es Aufregung unter den Wummenfans. Dann kam der Grund aus dem Schuppen. Eine bestens gepflegte M62, wobei man sagen muss, dass die Fahrzeuge im Raum Odessa eigentlich alle im guten Zustand waren. Man konnte bei den Elektritschkas sogar durch die Fenster schauen. Aber zurück zu dieser Lok. Es gab wohl vier Loks ihrer Sorte in Odessa, die alle ein anderes Farbkleid trugen, dafür aber keinen Schalldämpfer. Die Lok rückte nun zum Einsatz aus, und wir wieder in den Bus ein. Eine Stadtrundfahrt stand an.

Als wir uns dem Hauptbahnhof näherten wurden Fragen laut, ob man nicht mal schnell dort halten könnte. Es könnte ja sein, eine andere M62 wäre zufällig gerade da. Na gut, wir hätten 5 Minuten. Raus aus dem Bus, Lok erspäht, Foto gemacht und wieder zurück, alles zusammen keine 2 Minuten. Und das bei einer Gruppe von über 30 Personen, die Dolmetscherin war begeistert. Die Stadtrundfahrt ging weiter und im Hafen bestiegen wir ein kleines Schiffchen das uns ein wenig im Hafenbecken umherschauckelte. Ein Tag fast ohne Eisenbahn und trotzdem schön. Am Abend erst kamen wir wieder in unseren Zug, der uns über Nacht nach Pomoschnaja bringen sollte.
Diese Nacht wurde hart. Es fing so harmlos an, aber dann kam einer vom Zugpersonal hinzu und als sich unsere Wodkacolaflasche etwas geleert hatte ging er los und füllte nach. Wir wissen nicht was das war, aber es wirkte. Nach dem zweiten Glas beschlossen wir unserem Tod zu entrinnen und verschwanden im Bett. Er fand aber noch jemanden zum Trinken, und dem sah man es früh an, d.h. bis Mittag sah man ihn gar nicht. Wir ließen das erste Depot auch sein und kamen zu uns, als die TE3-5346 unseren Zug zog. Das Wetter war wieder Mist.

Vereinzelt lagen Schneefetzen in der Landschaft. Aber bei so einem Gerät an der Zugspitze kann man nicht einfach die Fotohalte sausen lassen. Gegen Mittag erreichten wir Josipowka, wo bereits ein Schmalspurzug auf uns wartete. Bevor wir aber damit abfahren konnten musste noch der Gegenzug abgewartet werden - ein Güterzug gebildet aus Schmalspurkesselwagen. Kurz darauf ging es los. Wir saßen in der Schmalspurbahn und die Breitspurbahn fuhr nebenher. Zu Sowjetzeiten wollte man die Bahn umspuren ohne den Betrieb zu unterbrechen. Also baute man einfach ein zweites Gleis neben das bereits vorhandene. Allerdings wurde man damals nicht ganz fertig und hat heute wohl kein Interesse mehr an dem Umbau. Während dieser Parallelfahrt konnte man schön das Fahrwerk der TE3 beobachten, wie es versuchte dem Oberbau zu trotzen. Nach einigen Fotohalten und Scheinanfahrten erreichten wir den Bahnhof Golowanewsk. Dort endet das Breitspurgleis und nach einem längeren Aufenthalt fuhren wir zurück. Bei dem Schmalspurzug hing an beiden Enden eine Lokomotive. Hatte uns bis hierher die Diesellok Tu2-071 gezogen, so war jetzt die Dampflok GR-280 für diese Arbeit zuständig. Loks diesen Typs wurden als Reparationsleistung von der DDR an die UdSSR geliefert. Die Cargozwillinge erlebten aber nicht viel von der Rückfahrt, die langen Nächte forderten ihren Tribut. Das Wetter war eh nicht so besonders, also konnte man sich ruhig etwas ausruhen. So waren wir dann wieder fit für die Nacht, in der wir mit dem Zug nach Schmerinka weiterfuhren.

Tu2-071 und TE3-5346 in Josipowka - zum Vergrößern anklicken

Tu2-165 mit Schmalspurgüterzug in Josipowka

Eine M62 mit (ihrer eigenen?) Kurbelwelle - zum Vergrößern anklicken

Pünktlich zum morgendlichen Depotbesuch zeigte sich die Sonne. Dort werden in der Werkstatt größere Reparaturen an Lokomotiven ausgeführt. Eigentlich sah es dort mehr wie in einem Ausbesserungswerk aus. Zerlegte Motoren, Generatoren und Lokomotiven die momentan nur noch aus dem Gehäuse bestanden füllten die Werkhalle. Draußen waren lange Schlangen mit M62, 2TE10M bzw. U sowie einige ChME3 zu sehen. Darunter befand sich auch die 2M62-1145, die von hier an unseren Zug bis Gretschany zog. Unterwegs nutzten wir das schöne Wetter für Fotohalte. Bei einem Stop an einem Schrankenposten ergänzten die Schlafwagenschaffnerinnen ihre Heizvorräte an dort rumliegenden Kohlehaufen, während wir uns für die Scheinanfahrt positionierten. Jeder Wagen besitzt seinen eigenen Heizkessel der vom Zugpersonal befeuert werden muss. Man ist absolut unabhängig was die Stromversorgung angeht. Als dann alle wieder im Zug waren ging es weiter. In Gretschany wurden wir bereits von dem ehemaligen Chef des Depots erwartet. Obwohl es Sonntag mittag war fand er Zeit um uns das Depot und das dazugehörige kleine Museum zu zeigen, welches wunderbar eingerichtet war. Wir hatten in den letzten Tagen viele solcher Einrichtungen gesehen, aber viele erinnerten mehr an die Erfolge des Sozialismus als an die Geschichte der Eisenbahn. Nach dem Museum schauten wir uns im Gelände um. Es fanden sich noch viele Loks der Baureihe TE3.

Aber die waren wohl alle nur noch zur Altmetallgewinnung vorgesehen. Auch ein paar ChME3 und M62 genossen die sonntägliche Ruhe. Wir wollten jetzt aber Krach, den wir in Form der M62-1309 bekamen. Diese Lok pustet ihre Abgase ohne Schalldämpfung in die Atmosphäre. Den Aufenthalt in Gretschany nutzten wir auch gleich noch um das Zugpersonal zu einem Gruppenfoto zu bitten, immerhin waren wir den letzten Tag im Zug. Für eine Reisegruppe mit 35 Leuten waren noch mal etwa genau soviel Beschäftigte im Zug. Und die haben sehr gut gearbeitet und taten alles für unser Wohl.

Nach dem leckeren Mittagessen ging es nun ordentlich trommelnd weiter. Die Scheinanfahrten waren etwas für Augen und Ohren. Aber es sollte noch besser kommen. Bei der Einfahrt in den Bahnhof Ternopol wurden in einem Werk Lokomotiven vom Typ TE2 gesichtet, die man aber leider nicht besichtigen konnte. Aber auch das örtliche Depot barg einige Schätze, von denen die dort selbst nichts wussten. An einem als Garage weiterverwendeten Lokgehäuse einer TE2 befand sich noch das Fabrikschild. Nun wurden die Schildersammler unruhig und alle noch vorhandenen Garagen untersucht. Es sollte noch besser kommen. Einer der Reiseteilnehmer stieß neben einem Baum auf etwas metallisches im Boden. Nach einem bisschen Kratzen stellte sich heraus, das es auch ein Schild ist, nur, was für eins? Der Ehrgeiz und die Neugier gruben das Loch immer tiefer und fällten fast den Baum. Dann endlich bekam man es aus dem Boden. Es war das Fabrikschild einer Dampflok Baujahr 1928. Wie lange mag es wohl dort gelegen haben? Immerhin war es teilweise in den Baum eingewachsen. Mit den erbeuteten Stücken ging es danach zum Zug zurück. Die Lok wurde inzwischen getauscht und die 2M62U-0160 zog uns bis nach Lwow-Brjuchowitschi. Es waren die letzten Kilometer in diesem Sonderzug für uns. In unserem Zielbahnhof gab es ein extra für Sonderzüge eingezäuntes Areal. Ob man nun uns vor den Ukrainern, oder die Ukrainer vor uns schützen wollte werden wir wohl nie erfahren.

Beim Ausgraben eines Fabrikschildes - zum Vergrößern anklicken

Der letzte Abend im Sonderzug war nun gekommen. Wir bedankten uns bei dem Zugpersonal für die hervorragende Bewirtung. Vorher wurde in der Reisegruppe das Trinkgeld gesammelt. Dieser Betrag wurde durch die Anzahl der Personale geteilt, so dass jeder den gleichen Anteil bekam, auch diejenigen, die im Hintergrund agierten. Zum Dank wurde uns ein Ständchen geboten. Als diese Zeremonie beendet war konnte die Abschiedsfeier beginnen. Wie erwartet wurde die Nacht sehr kurz dadurch und einige hatten am nächsten Morgen Probleme mit dem Aufstehen. Aber wir mussten raus, denn der Bus wartete. Da unser Zug Richtung Prag erst am Nachmittag fuhr hatten wir noch etwas Zeit um die beiden Depots der Stadt zu besuchen.

Warten auf den Busfahrer in Lwow - zum Vergrößern anklicken

Also fuhren wir in die Dienststellen Lwow Ost und West. Nun ja, für uns gab es nix außergewöhnliches mehr zu sehen, zumindest was die Eisenbahnfahrzeuge anging. Man zeigte uns aber einmal, wie Sozialeinrichtungen für Lokführer aussehen können. Uns haute es fast um. Nein, nicht weil die Sachen keimig waren. Es standen ein Schwimmbad nebst Sauna, ein Fitnessstudio mit Betreuung und ein Massagesalon mit Personal zur Verfügung. Darüber waren wir nun doch erstaunt. Da kann man sich nur wünschen, dass sie sich in dieser Sache kein Beispiel an Deutschland nehmen. Nachdem wir nun alles gesehen hatten wollten wir weiter mit dem Bus. Dieser war auch da, nur der Fahrer nicht mehr. Keiner wusste wo der hingegangen war. Was nun, der Zug würde sicherlich nicht auf uns warten. Irgendwann traf der Fahrer doch wieder ein und kutschierte uns zum Bahnhof.

Jetzt hatten wir noch ein wenig Zeit und vertraten uns die Beine in der Stadt. Auf einem Markt besorgten wir etwas Proviant und entdeckten auch so eine Art Fleischerei. Das ist aber nur etwas für Hartgesottene. In einer großen Halle wurde die Ware auf Tischen feilgeboten. Eine Kühlung gab es nicht. Wie es da drinnen im Hochsommer zugeht bedarf wohl keiner weiteren Beschreibung. Der Geruch trieb uns wieder ins Freie und die Zeit zum Bahnhof. Hier verabschiedeten wir uns von der Dolmetscherin und dem Reiseleiter der Firma Dzscherelo, die uns bis zum Schluss begleiteten. Als der Zug einfuhr stellten wir fest, dass wir uns genau am falschen Ende befanden. Aber wir waren wohl nicht die einzigsten, denn es setzte eine wilde Rennerei auf dem Bahnsteig ein. Unser Wagen war ein ukrainischer Schlafwagen. Jetzt wussten wir, wie gut wir es auf der Hinfahrt hatten, denn die sanitären Anlagen luden nicht gerade zum verweilen ein. Der Zug war ein mächtiger Prügel, zusammengesetzt aus mehreren Kurswagen. Während der Karpatenüberquerung hatte man trotz der vielen Kurven Mühe das Ende zu sehen. Allerdings konnten wir das Ende unserer Reise sehen. In Prag trennten sich die Wege wieder. Ein Teil der Gruppe fuhr Richtung Bayern, wir und einige andere wieder nach Dresden. Zu Hause gab es viel zu erzählen, aber zuerst ein ordentliches, gemütliches heißes Bad und viel Schlaf. Rico´s Mutter stellte fest, er würde überhaupt nicht erholt aussehen nach diesen zwei Wochen Urlaub. Tja, wie auch. Erholt waren wir wirklich nicht, aber glücklich...

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